160 Igelkind - Menschenkind - Dasein

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160 Igelkind - Menschenkind



Igelkind - Menschenkind

Igelkind wandert durch die Welt. Über Stock und Stein, über Flur
und Feld, durch Bächlein und Laub, den Hügel hinauf und hinunter
ins Tal. Regentropfen und Staub halten die Beinchen nicht auf,
halten in Trab. Auf einmal beginnt das Herzchen zu klopfen, das
Näschen schnuppert hoch in die Höhe gereckt, die Äuglein wandern
unruhig hin und her, dann wird das Köpfchen ganz schnell hinter
den Stacheln versteckt. Zuerst war greller Tag, jetzt schlägt der
Puls noch schneller, denn plötzlich ist es dunkel, so als riesle
Ruß vom Himmel herab. Finster, weil die Augen geschlossen. Nichts
wird gesehen, nichts gibt's zu verstehen. Alles ist weg. In die
Stille gestoßen. Aber irgendetwas umschleicht das empfindliche
Ohr, ein leises Rascheln - und die Angst ist wieder da - wie
zuvor. Wenn du bangst, der Mut nicht mehr reicht, dann sei auf
der Hut, es fällt gar zu leicht einfach die Augen zu schließen im
Glauben daran, dein Leben könnte auch ohne dich sprießen. Aber
irgendwann trifft man das Unkraut - aus Ängsten und Zweifel gebaut
- wieder. Drum Menschenkinder, beginnt beizeiten zu jäten, die
Angst macht uns blind und wächst auch in unseren Städten, wenn
Auge und Ohr den Eingang zur Seele zu fest verschließen und der
Mund vergißt zu beschreiben was wir so leiden oder vermissen.
Stell die Stacheln auf, um auszuruhen, streich das Fell wieder
glatt. Setz den Weg fort, vielleicht in neuen Schuhen, aber gib
den Löffel nicht ab.

P.K. Juli 1990
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